Am 1. Mai wurde von uns weder eine Gewerkschaftsversammlung besucht, noch der Maibaum bewacht. Beides gibt es hier mitten in Frankreich überhaupt nicht. Auf der bisher längsten Etappe unserer Pilgerreise – im Übrigen aus meiner Sicht auch härtesten – war überhaupt kein Unterschied zu Werktagen oder Sonntagen zu verspüren: Von 9 Uhr morgens bis (fast) 6 Uhr abends vielleicht 6 oder 7 französische Kugelautos inklusive. Transporter, 1 Mountainbiker, 2 Radrennfahrer und 3 Familien im Garten (natürlich) beim Essen.

D.h. mich hat auch an diesem Tage nichts und niemand bei meinen Naturbetrachtungen gestört. Millionen Pusteblumen in saftig grünen Wiesen mit klatschgelbem Löwenzahn – und mitten drin Hannah mit Nora in bunten französischen Kinderkleidchen. Die Idylle wandelte sich schnell zu richtig heftigen Aufstiegen über uralte steinige Hohlwege.

Das Reiten in der Sonne: très chaud, und im Schatten: frois!

Den Reitermantel habe ich gegen eine Jacke getauscht mit zwei Pullovern und langer Unterwäsche. Klar, im Wald richtig, auf dem Feld falsch. Gelobt sei was hart macht. Ist auch egal, denn mit Santi, die überhaupt nicht schwitzt, gibt es genug Ablenkung. Besonders bei den schwierigen steinigen und steilen Bergauf- und Bergabpassagen. Da wollte ich wirklich nicht mit dem armen Fußpilger tauschen, der schwer bepackt sich den Berg hinaufkämpfte.

Oben angekommen gönnten wir uns die Mittagspause. Auch nicht ganz so einfach, wie es klingt, wenn man völlig alleine ist. Die Platzwahl überlasse ich Santi, die auf das fetteste Grün zusteuert. Ich hätte gerne etwas Schatten und eine Sitzmöglichkeit, was in der Nähe von Baumfällarbeiten, Arbeiter habe ich nie gesehen, anzutreffen ist. Dann absteigen, was gut klappt, dann Heikes Reisehalfter mit einer Hand entwirren, weil ich die Zügel und damit Santi nie mehr loslasse. Das Halfter über den widerspenstigen Kopf und verknoten. Zügel am Sattel befestigen und die entwirrte Halfterschnur an einen geeigneten nicht zu dicken Stamm. Die Länge ist so zu wählen, dass Santi einen hinreichenden Radius zum Grasen hat, was sie energisch schon längst begonnen hat, andererseits aber nicht in die Halfterleine tritt, was zu Unmutsäußerungen führt. Wenn das alles bewerkstelligt ist, krame ich aus diversen Taschen dass von Thomas vorbereitete Mittagsmahl, bestehend aus einer Bemme, einem Ei und zum Dessert ein Apfel. Inzwischen ist Santi mit dem Standort nicht mehr zufrieden, da ruck zuck abgegrast. Also ändern. Beim Ei angekommen merke ich, dass die gestrige Fachdiskussion, an der ich mich nicht beteiligte, wann und wie ein hart gekochtes Ei denn nun auch seiner Verpackung (Schale) auf einfache Weise zu entledigen sei, erst recht in einer einfachen Picknicksituation, nichts, aber auch garnichts gebracht hat. Ich hasse Theoretiker, wenn ich Hunger habe. Die Schale klebte zuverlässig am Ei, sodass ich am Schluss nicht viel mehr als das Gelbe vom Ei meinem Hunger zuführen konnte.

Beweis:

Nach sieben Stunden im Sattel drohte mir das unverzichtbare Wegeprogramm Dienstverweigerung. Mutterseelenallein in der Pampa. Die Batterie war erschöpft. Wie Phönix aus der Asche tauchen Andreas und Thomas auf und erlösten mich kurz vor dem Ziel, dem Reiterhof in Saint Agnant, aus der Horrorüberlegung: Komoottante aus, kein Telefon mehr, großer See vor dir, Brückenangst von Santi. Ende gut, alles gut.

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