Jetzt schaffen wir es doch schon um neuen Uhr loszureiten. Von der Herberge bekamen wir noch ein Glas Marmelade geschenkt. Paul hat sich schon von dem Besitzer, der einen kleinen Laden betreibt, die neueste „Paris Match“ besorgt. Monsieur „Tapi“ spielt in der Klatschwelt Frankreichs wohl eine Rolle. Interessant ist das schon. Aber noch spannender ist, dass das Aufsteigen mit Santi (sehr) langsam promoviert, erst recht bei Publikum. Heute, an diesem Freitag ging’s beim zweiten Anlauf, aber ...

Santi scheint einen Kompass gefressen zu haben. Sie will morgens mit Macht nach Osten laufen und ich mit Macht nach Westen. Der Tanz auf der D 23 ist folgenlos, weil „Route barree“, sicherlich für uns zwei? Ich will die neu beschaffte Gerte (von einem Haselnußbusch) nicht einsetzen. Zuerst begleitet/führt Paul, dann eine offensichtlich erfahrene Dame bis zum Familiensitz derer von Gaulle „la Boisserie“. Dann streite ich mich noch ein paar Minuten, denke an Heikes wertvolle Ratschläge, und dann wird doch alles gut.

Gleißender Sonnenschein, völlig alleine auf der D 23 auch nach Aufhebung der (grundlosen) Sperrung (für mich). Ganz gelegentlich ein Minirenault oder Citroën mit einer jungen Mutter, ein einziger Laster. Nun war wenigstens mal etwas Zeit, die Aufmerksamkeit von dem Pferd zu lassen und mir die Gegend anzuschauen. Gelbe Glockenblümchen zuhauf, goldener Löwenzahn, weiße Blüten an den Zweigen, welcher Bezeichnung auch immer, kurzum, Ostern liegt in der Luft. Obwohl die Sonne recht warm ist, weht ein kühles Lüftchen, sodass ich bereue, den Reitermantel ausgezogen und hinter die Sattellehne verwurschtelt zu haben. Dies indes nicht allzu lange, denn vor dem Kloster Clairvaux passiert der bestens von der Handytante angesagte Weg einen kleinen Bahnübergang nebst Kreuzung doppelt von links und einfach, dafür ziemlich befahren, von links. Um die Auseinandersetzung abzukürzen, ich zog den Kürzeren. Santi war durch nichts, aber überhaupt nichts zu überzeugen, die paar Meter zu gehen oder zu traben. Also runter und zum Kloster des berühmten Bernhard geführt. Die seit dieser Revolution hier – vor ein paar Jahren – geänderte Zweckbestimmung von der Zisterzienser Arbeits- und Betstätte zum Aufbewahrungsort weniger frommer Menschen ist – leider – schon von weitem an der riesigen Gefängnismauer auszumachen. Ich also an der Mauer vorbei, die ständig nach vorne strebende Quarterhorsestute (meistens) im Griff, an dem hohen Denkmal dieses ziemlich Unheiligen vorbei, dann immer weiter in meinen sehr schönen Reiterstiefeln mit lädiertem rechten großen Zeh, der wiederum mit ohne Nagel ... und ich finde keine Aufstiegshilfe! Wie überall kein Mensch auf der Straße oder im Hof. Ich laufe also mit der anfangs nur drängenden Stute an Bernhards Gefängnis vorbei, und es geht jetzt auch noch bergauf. Nach einer gefühlten Stunde mit einem ziehenden großen Zeh, langsam disziplinierter Stute und viel zu heißer Aprilsonne verfalle ich auf einen Trick. Ich führe Santi auf eine Wiese, lasse sie grasen und saufen, dann in ein Gebüsch mit gefällten Bäumen. Gehindert, sich wegzudrehen entwirre ich den Hilfszügel am Bauch, nutze den alten Baum, der schon leicht wegbricht (weil ich immer noch nicht abgenommen habe) und wage es ebenso kraftvoll wie erfolgreich. Juhu, wieder im Sattel und diese Fußgeherei los. Bei Santi wieder Versuche zurück zu gehen, dieses Mal bin ich definitiv Sieger für die nächsten 20 km.

Minou empfängt mich schon vor Campignol-Lez-Mondeville. Paul hat, wie immer schon am Vormittag, von dem Besitzer eines Champagner-Gutes die Erlaubnis erhalten an einer wunderschönen Santi-Wiese unser Zigeunerlager aufzuschlagen inklusive Strom und Kellerführung:

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