Gut war die Nacht nicht. Verstärkt durch diesen Caravanaufbau trommelte der Regen seine kriegerische Ansage für den nächsten Morgen. Andreas, nun allein als Quartiermeister und Santiverantwortlicher schlief erstaunlicherweise ruhig und fest. Ich kann dies beurteilen, weil …
Hoffentlich kommt FJ gut zurück nach Trier, hoffentlich schafft JP die fast 2000 km zu uns, hoffentlich, hoffentlich …

Im Regen los, Santi liebt die angenehme Kühle, ich nicht, auf nach Itero de la Vega, dachten wir beide. Im Morgengrauen bewegen sich schon, im Regen natürlich, einsame Pilgergestalten Richtung Westen. Seit Spanien ganz überwiegend junge Leute, während Frankreich noch von den Mittleren und Alten dominiert wurde.
Andreas ist ein menschlicher Schatz. Trotz seiner körperlichen Einschränkungen leistet er vorzügliche Dienste für Santi – und jetzt auch noch für mich – bis zur Ankunft von JP.
Der Durchritt durch die Relikte der Kirche des Klosters San António war absolut unwirklich: Der Weg führt durch den hohen Bogen des Nordschiffes, wie gleich mitten rein ins Paradies. So was habe ich, Santi auch, noch nie erlebt. Vielleicht hat Max dazu noch ein paar Bilder. Vom Pferderücken war das alles nicht zu schaffen.

Das Dörfchen Itero del Castillo ist ein Traum. Also: Weggabelung mit tollem Wegekreuz, links, rechts die Kirche, ganz schön imposant für ein kleines Dorf, und das alles bekrönt von einer großen festungsartigen düsteren Burg! Wow, haut einen aus dem Sattel.

Gemessenen Schrittes durchqueren wir das Dorf. Santi will nicht schneller. Das Ensemble mit den alten geduckten Häuschen unter der Zwingburg dort oben erinnert mich plötzlich an ganz alte Zeiten. Für 15 Pfennig gab es in den Fünfzigern Schundheftchen, die wir nicht lesen durften. Aber „Sigurd“ war immer mit mir. Der Zeichner hatte damals diese besonders bei Regen oder Nacht bedrückende Stimmung der feudalen Burg und seiner bösen Herrn gegen die armen Leute im Tal, aus meiner Sicht als kleiner Junge, eindrucksvoll rübergebracht. Und jetzt, nach 60 Jahren blitzt das wieder auf. Wie schön.

Ein Kilometer (sic!) Aufstieg bei 12 % Steigung. Mountainbikefahrer steigen ab und werden von Sani überholt. Noch anspruchsvoller der Abstieg, den ich Santi aber nicht mehr zumuten wollte und sie führte, was sie übrigens sehr genießt.

Der emotionale Höhepunkt folgte zwei Stunden Ritt später. Das Pilgerhospital San Nicolás, einsam auf dem Pilgerweg gelegen, bietet heute noch tätige Nächstenliebe, wie unser Johanniterorden. Der Kirchenraum ist aufgeteilt in einen Bereich für ein paar Betten, der Kirchenraum ist gefüllt von einem großen Esstisch mit Wasser, Wein und Brot. Dies alles in einem wunderbaren, von Freiwilligen geführten Stil. Gelesen habe ich, dass hier noch der christliche Brauch der Fußwaschung praktiziert werde. Die kleine Kirche hat mich stark eingenommen. Vor dem Altar dachte ich an ein kleines Gebet. Ging nicht, denn dann war mein Herr bei mir. Und dann hat er mich getroffen. Zwei Monate Tag für Tag durch Regen und Wind, Hitze und all diese Probleme, und dann sind wir hier. Unfassbar. Meiner Tränen in diesem Augenblick schäme ich mich nicht. Draußen wartet schon Santi, von einer Schar von Pilgerinnen gestreichelt, damit es weitergeht.

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