Der von Andreas vorhergesagte Regentag ist pünktlich angekommen, aber viel milder, als befürchtet.

Viel intensiver hat sich nunmehr die philosophische morgendliche Runde um den weltbesten Kaffee zu einem, was sage ich, dem Olymp geistiger Größe(n) entwickelt. Hier werden endlich Aphorismen formuliert, geheimes Wissen aus Wissenschaft und Forschung offenbart und Sentenzen wie aus Erz gegossen für die Ewigkeit statuiert, wie: „Nachts ist es kälter als draußen“ oder „Das war hässlich von Innen“ oder „Nach zwei, drei schmeckt der!“.

Santi steht teilnahmslos tropfend im Regen. Sie hat sich gestern so sehr über Andreas’ Leckstein gefreut, dass sie das ansonsten von mir dankend angenommene Bestechungs-Leckerli verschmähte. Mit der Power-Zusatznahrung ist Andreas zurückhaltender geworden angesichts hinreichend großer und sattgrüner Weideflächen. Sämtliche von den beiden angefahrenen, von Thomas ausgesuchten Übernachtungsgelegenheiten waren und sind für Mensch und Tier großartig. So auch heute in Saint-Amand-Montrond.

Zusammen mit Andreas habe ich das Städtchen erkundet. Dies in aller Ruhe, denn zunehmend spielt Zeit keine Rolle mehr. Das scheint auch Santi zu verstehen, denn die Powerausfälle, das nervöse Herumtänzeln beim Satteln und Aufsteigen sind weitgehend vergangen. Unaufgeregt der Kaffee in einem kleinen Tabak-Laden zusammen mit älteren Franzosen, die aus kleinen, dafür immer wieder wunderbarerweise neu gefüllten Gläsern Weißwein tilgen und sich freundlich grüßend Wichtiges erzählen. Aus der Le Monde erfahre ich, dass unsere Bastille wohl nochmals gestürmt werden könnte. Die kleinen Leute scheinen ziemlich unzufrieden, denn die Gilets jaunes leuchten überall:

„Emmanuel Macron face au scepticisme des Français !“ Da wir aus dem 13. Jahrhundert diplomatischen Status genießen, ist es mir egal. Freundlich sind sie alle. Und wenn ich alleine auf dem Pferd durch die kleinen Ortschaften reite laufen die Mamas mit den Kindern herbei und Mädchenaugen leuchten: „Un cheval !“ Gestern hielt noch ein BMW-Fahrer mitten auf der Kreuzung: „Bravo. Monsieur“. Tut gut. Kaum einer der PKW-Fahrer, der nicht grüßt, besonders die Französinnen. Auch das ist nicht unangenehm. Nur die Schnelltransporter und die 40-Tonnen-LKWs nerven. Allerdings auch das allgemeine Tempo dieser Pummelautos auf den Straßen, was mir, aus der Sicht eines Reiters, doch recht forciert erscheint. Glücklicherweise sind die Landstraßenabschnitte in der klaren Minderheit. Die Städte meiden wir, sie werden umfahren.

Ich werde dann in der Nähe des Zentrums herausgeworfen und laufe dann eben zur Mairie. Wunderschöne historische Wege, um die frische Baguette zu holen.

Hier hatte ich endlich Gelegenheit in der Kirche des 12. Jahrhunderts mal ein paar Minuten Dank zu sagen. Was mich immer wieder hier wundert, wenn ich so alleine für mich bin, dass mein Herr am Kreuz irgendwo rechts oder links vom Altar hängt und im Mittelpunkt der Sichtachse irgend so ein Heiliger oder Bischof. Egal, mein bescheidenes Gebet wird schon ankommen.

Die Santiagopilger haben es in dieser Stadt nicht so einfach. Die Pilgerzeichen mit der gelben Muschel sind in Fußhöhe angebracht! Weiß der Teufel warum?

Richtig effektiv war heute Thomas. Jetzt hat sein Kühlschrank endlich seine Ordnung erhalten

Es blitzt und donnert. Kurz vor sieben kommen Thomas und Andreas aus der Stadt. Haben das Gewitter ausgesucht. Zum ersten Mal bin ich mit Santi allein im Regen, Blitze, Donner und Sturm. Ich komme mir vor wie Luther. Was ist, wenn Santi ausbricht oder vom Blitz getroffen wird. Also Waxed Cotton an und raus, um mit Leckerli zu beruhigen. Genau da erscheinen Andreas und Thomas, durchgeweicht bis auf die ... Andreas sieht erschreckend aus, er war bei einem französischen Friseur. Beruhigt mich aber. Santi steht ganz einfach dem Wetter trotzend unter einem Baum, eine Stoikerin – ohne Fass.

Dann klopft es, genau in dem Moment, als die beiden nassen Katzen sich ihrer Kleidung entledigen, die Campingplatzbesitzerin, jung, regenresistent. Sie hat bereits für Samedi uns eine Herberge mit Pferd in La Chatre besorgt, mit Telefonnummer, parfait.

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